Die deutsche Startup-Szene ziert sich - meint auch GSG CEO Christoph Gerlinger
Solch ein Gang an die Börse verschafft einem Jungunternehmen selbst nicht nur frisches Kapital, sondern kann auch als Signal sowohl für das Startup-Ökosystem als auch für die erfolgreiche Realisierung einer Geschäftsidee dienen. In Deutschland fanden im Laufe des vergangenen Jahres 2013 weniger als zehn Unternehmen den Weg aufs Parkett, darunter kein einziges ehemaliges Startup. Zum Vergleich: in den USA waren es mehr als 200 - Tendenz für 2014 steigend.
Wie Christoph Gerlinger, CEO der German Startups Group, jüngst in einem Interview mit dem Online-Magazin Gründerszene zu verstehen gab, eigneten sich in seinen Augen derzeit mindestens 100 deutsche Jungunternehmen aufgrund ihrer Unternehmensgröße und ihres Wachstums für einen Börsengang. Deutsche Vorzeige-Startups wie zum Beispiel Wooga, Delivery Hero, SoundCloud oder ResearchGate kämen so als Börsenkandidat in Frage.
Antworten auf die Frage nach Gründen für die Zurückhaltung bei Börsengängen sind unterschiedlich. Erhöhte Reporting- und Transparenzanforderungen werden oft als bürokratische Hürden genannt. Dafür sprächen allerdings Argumente wie ständiger Zugang zu Kapital, das Behalten der Kontrolle aufgrund der atomisierten Aktionärsstruktur wie im Streubesitz, eine erhöhte öffentliche Wahrnehmung oder die Möglichkeit, werthaltige Aktienoptionen an talentierte Mitarbeiter auszugeben und diese damit an das Unternehmen zu binden, so Christoph Gerlinger weiter. Es ergeben sich jedoch nicht nur Vorteile für die Startups selber, sondern auch für deren Alt- und potenzielle Neuinvestoren. Erstere können ihre börsennotierten Aktien so jederzeit verkaufen, letzteren wird ein Zugang zur Anlage in Startups gewährt.
Deutschland hat, wie die USA (NASDAQ) und UK (High Growth Segment), ein Hochtechnologie-Börsensegment verdient. Eine Hochtechnologiebörse nach den genannten Vorbildern, wie sie derzeit in Deutschland geplant und von Befürwortern wie Philipp Rösler, Stephan Schambach und Christoph Gerlinger gefordert wird, würde den emittierenden Wachstumsunternehmen ein Qualitätssiegel verleihen und ihnen Aufmerksamkeit von Presse und Anlegern bringen. So erzielen sie laut Christoph Gerlinger höhere Bewertungen, also bessere Finanzierungsbedingungen. Ein solcher attraktiver zweiter Exitkanal neben dem Trade Sale an strategische oder Finanzinvestoren könnte die Finanzierungsbedingungen des ganzen Startup-Ökosystems verbessern und damit in Deutschland Innovation, Wachstum, Arbeitsplätze, individuelles Vermögen für Gründer und Venture Capitalists (das überwiegend zurück fliesst ins System), Steuereinnahmen und allgemeinen Wohlstand schaffen. Eine wünschenswerte Entwicklung für die „Silicon Allee“ genannte Berliner Startup-Szene und den Standort Deutschland insgesamt.Deutsche Startups finden in Zulily, Tableau Software und GrubHub ihre Vorbilder
Der Gang an die Börse gehört in der amerikanischen Unternehmerwelt zur Regel und steht auf der typischen Agenda eines Entrepreneurs. Deutsche Jungunternehmen mit vergleichbaren Produkten und Geschäftsideen finden nicht selten US-amerikanische Startups mit Vorbildcharakter.
Im November 2013 fand der US-amerikanische Kindermoden-Retailer Zulily den Weg an die NASDAQ und sammelte dabei Kapital im dreistelligen Millionenbereich ein. Für deutsche Startups, die sich ebenfalls der Zielgruppe „Kleinkinder“ verschrieben haben, wie zum Beispiel kirondo.de oder Meine Spielzeugkiste, könnte dies ein Vorbild sein.
In die Liste erfolgreicher Börsengänge in den USA des letzten Jahres kann auch der US-amerikanische Spezialist für Datenvisualisierung, Tableau Software, aufgenommen werden, der Kapital in vergleichbarer Größenordnung einwerben konnte. Für den deutschen Anbieter für entsprechende Business-Intelligence-Software as a Service (SaaS), Datapine, könnte das eine Benchmark sein, an der es sich zu orientieren gilt.
Zuletzt sind in den USA der US-amerikanische Online Essen-Lieferservice GrubHub und in England sein britisches Pendant JustEat an die Börse gegangen. Ersteres sammelte ca. 148 Millionen US-Dollar bei einer Bewertung von ca. 1,72 Milliarden US-Dollar und letzteres knapp 170 Millionen US-Dollar bei einer Bewertung von über vier Milliarden US-Dollar ein. Dies is ein gutes Omen für den angekündigten Börsengang des deutschen Pendants Delivery Hero, das sich mit einem Umsatz im dreistelligen Millionenbereich alles andere als verstecken braucht.
Für Aufsehen sorgen derzeit Pläne des chinesischen Amazon-Pendants Alibaba, der demnächst den Sprung auf das US-amerikanische Parkett wagen will. Dies dürfte bei einem geschätzten Firmenwert zwischen 150 und 250 Milliarden Dollar der größte Börsengang in der Geschichte der Technologiebranche werden und damit den IPO von Facebook übertreffen.